Tolles Interview von Efsun Kızılay über den Kampf der Erinnerungen mit der Initiative Herkesin Meydanı – Platz für Alle, die sich seit Jahren für den Bau eines Mahnmals in der Keupstraße einsetzt. Am Ende des Interviews wird auch der Redebeitrag von Malek Zaher Ahmad auf der diesjährigen Gedenkveranstaltung anlässlich des 16. Jahrestages des Nagelbombenanschlags erwähnt:
“Bei der Gedenkveranstaltung an den Anschlag in der Keupstraße am 09.06.2020 anlässlich des 16. Jahrestages des Nagelbombenanschlags waren unter anderem auch die Initiative 19. Februar Hanau, die Initiative Amed Ahmad und Black Lives Matter anwesend. Wie wichtig sind eine gemeinsame Bündnisarbeit und das Zusammendenken von Kämpfen?
Gesine Schütt: Dieses Jahr gab es von den bisherigen Bündnissen, die das Gedenken gestaltet haben, aufgrund der Corona-Pandemie keine Planungen zum Jahrestag. Wir als Initiative fanden das nicht tragbar und haben es dann selbst kurzfristig in die Hand genommen. So kam es endlich, dass die Redner*innen vor allem Betroffene von Rassismus selbst waren statt offizieller Repräsentant*innen. So sind viele Menschen zusammengekommen, die von ihrem Standpunkt aus Rassismus betrachten. Diesmal wurde auch zum ersten Mal viel Kurdisch gesprochen, weil der Vater von Amed Ahmed auf der Gedenkveranstaltung gesprochen hat. Hinterher kamen ganz viele verschiedene Menschen zu unserer Initiative und teilten uns mit, dass sie total berührt waren und es in diesem Sinne die beste Gedenkveranstaltung war, die es je gab. Ich glaube, dass eine Stärke dadurch entsteht, zu sagen: «Wir kommen zusammen und erzählen erstmal unsere Geschichte und nehmen auch die Geschichten der Anderen auf und lernen daraus.» Die Herausarbeitung der Gemeinsamkeiten untereinander führt dazu, dass sich viele Menschen, indem sie sich kennenlernen und zuhören auch eine Arbeit miteinander teilen und sich gesamt für etwas öffnen. Das ist immer die Hoffnung darin.
Kutlu Yurtseven: Bündnisarbeit muss vor allem mit den Betroffenen gemeinsam gemacht werden – bestimmt durch die Betroffenen. Erst dies schafft ein würdiges Gedenken. Es verbindet viele Menschen, Gedenken und antirassistische Kämpfe. Wenn wir für eine Solidarität der Vielen stehen, dann müssen wir die Erfahrungen von vielen Menschen mit einbringen und zuhören. Auch als Aktivist*innen. Wir müssen die Menschen zu Wort kommen lassen. Denn die Betroffenen sind, so wie Ibrahim Arslan (Überlebender des Brandanschlags 1992 in Mölln) es immer betont, die Hauptzeugen des Geschehenen. Wir können nicht über ihre Köpfe hinweg Erinnerungsarbeit leisten. Darum muss man auch unter den Betroffenen Bündnisse schaffen, weil das Bündnis ihnen Kraft gibt zu reden. Es geht kein Weg daran vorbei, dass wir Gedenken, Gedenkveranstaltungen und Initiativen gemeinsam zu einem Bündnis zusammenschmelzen lassen. Alleine werden wir es nie schaffen. Wir müssen die Menschen mit dem Herzen abholen und nicht immer nur mit dem Kopf.”